Newsletter #18 Juni 2025
// Editorial
Liebe Freund*innen der con gressa,
wir waren ziemlich viel unterwegs, in Städten der Welt, aber auch hier im ländlichen Raum. Einige Eindrücke und Tipps aus dieser Arbeit haben wir hier im Newsletter für Sie dabei.
Und Bewegung gibt es jetzt auch wieder beim Berliner Stammtisch Wissenschaftskommunikation. Nach einer längeren Pause haben wir das Format wiederbelebt. Der monatlich stattfindende Stammtisch ist offen für alle Interessierte, Jörg Weiss informiert über LinkedIn und Newsletter über die Termine.
Mit den besten Wünschen
Susann Morgner und Jörg Weiss
Geschäftsführung con gressa GmbH
// Aus der Praxis

01_Aus der Praxis
Foto: con gressa/Jörg Weiss
Veranstaltungen im Ausland organisieren: Tipps fürs Projektmanagement
Rom, San Francisco, Pretoria. Im Zuge der Organisation von Auslandskolloquien für die Alexander von Humboldt-Stiftung sind wir in den vergangenen zwei Jahren ganz schön rumgekommen. Nachdem wir zuvor einige Humboldt-Kolloquien aufgrund der Corona-Reisebeschränkungen in den virtuellen Raum verlagern mussten, freut es uns umso mehr, dass wir nun drei sehr erfolgreiche Veranstaltungen vor Ort umsetzen konnten. Dafür brauchte es ein hohes Maß an interkulturellem Feingefühl und flexiblem Projektmanagement. Gerne teilen wir unsere drei wichtigsten Learnings aus diesen Projekten mit Ihnen:
1. Kommunikation: braucht Beziehungsaufbau
Eines ist uns schnell klar geworden: Gutes Projektmanagement allein reicht nicht – der Erfolg der Veranstaltung steht und fällt mit einer guten Kommunikation mit den Partnern vor Ort. Unterschiedliche Erwartungen, Arbeitsweisen und Kommunikationsstile können dabei schnell zur Herausforderung werden, Missverständnisse sind oft vorprogrammiert. Sehr hilfreich ist es deshalb, zusätzlich zur formalen E-Mail-Kommunikation auch den „kurzen Weg“ über Messenger-Dienste zu nutzen. Eine schnelle Rückfrage per WhatsApp, ein kurzer Videoanruf oder auch ein passend eingesetztes Emoji können viel zur Verständigung in der interkulturellen Zusammenarbeit beitragen.
Unser Eindruck war, dass die deutsche Kommunikationsweise im internationalen Kontext mitunter als besonders sachlich und direkt wahrgenommen wird – in einer Weise, die in anderen kulturellen Zusammenhängen ungewohnt oder sehr formell wirken kann.
Fazit: Beziehungsaufbau lohnt sich. Wer sich Zeit für das Gegenüber nimmt, echtes Interesse zeigt und auch einmal über Privates spricht, schafft Vertrauen. Und dieses Vertrauen wirkt dann wie ein Schmiermittel für die Zusammenarbeit – plötzlich läuft es besser, man versteht sich, und es geht voran. Wer Zeit und Mittel hat, sollte deshalb möglichst eine Vorabreise einplanen – der persönliche Austausch kann entscheidend sein.
2. Formalitäten: Buchhaltung und Logistik proaktiv gut vorbereiten
Nicht nur die deutsche Kommunikationsweise, sondern auch einige der hierzulande üblichen formalen Prozesse können außerhalb von Europa schnell zur Herausforderung werden. Etwa die Angebotseinholung und Rechnungsstellung, wenn die Standards vor Ort sich stark von unseren unterscheiden. Kommunizieren Sie proaktiv und frühzeitig, welche formalen Standards z. B. eine Rechnung haben muss, damit Ihre Buchhaltung damit arbeiten kann. Unser Tipp: Erstellen Sie ein Factsheet mit allen (buchhalterischen) Anforderungen und teilen Sie das vorab mit den Partnern vor Ort.
Und auch die Zollbestimmungen können Probleme machen. Vermeiden Sie daher besser den Materialversand ins außereuropäische Ausland. Es gibt Alternativen: Branding über Screens statt Rollups, App statt gedruckten Programmheften und auf Kugelschreiber und Notizblöcke ganz verzichten – das ist auch nachhaltiger.
3. Partner*innen: frühzeitig einbinden und kulturelle Kontexte mitdenken
Ob Essenszeiten, Nachhaltigkeitsverständnis oder Musikauswahl – kulturelle Unterschiede wirken sich direkt auf Veranstaltungen aus. Die Bedürfnisse der Teilnehmenden sollten dabei ernst genommen werden. Beziehen Sie deshalb lokale Akteur*innen frühzeitig in die Planung ein und nehmen Sie ihre Expertise ernst. Gemeinsam planen und organisieren kann ja auch neue Perspektiven bringen und Spaß machen.
// Was uns bewegt

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Foto: Unsplash/v2osk
Wisskomm braucht gute Rahmenbedingungen
Und zwar nicht nur auf institutioneller Ebene, sondern auch für Praxispartner wie uns. Wir arbeiten aus Überzeugung für die Wissenschaft und haben uns als Agentur mit thematischem Fokus ein tiefes Verständnis für Wissenschaftskommunikation erarbeitet. Das zeichnet uns und viele andere Agenturen und Freiberufliche in diesem Bereich aus. Diese Perspektive konnte Jörg Weiss kürzlich als geladener Experte im Wissenschaftsausschuss des Landtages NRW einbringen.
Anlässlich eines SPD-Antrags, der die explizite Mitgestaltung von Wissenschaftskommunikation auf Landesebene fordert, konnten Jörg Weiss und eine Reihe weiterer geschätzter Kolleg*innen ihre Perspektiven in die politische Beratung einbringen. In unserer Stellungnahme machen wir deutlich: kompetente Freiberufler*innen, Agenturen und Unternehmen sollten in die Weiterentwicklung von Wissenschaftskommunikation einbezogen werden – als Praxispartner und Impulsgeber. Wer Formate konzipiert, Zielgruppen erschließt, Wirkung misst und Kommunikation auf Qualität trimmt, ist mehr als ein bloßer „Dienstleister“. Als zentrale Bausteine sehen wir dafür unbürokratische Förderprogramme und mehr Offenheit für privatwirtschaftliche Akteure.
// UmdenkEmpfehlung

Ist das gute Wisskomm oder kann das weg? Wie wir mit Fachbegriffen umgehen sollten
Komplexe Zusammenhänge verständlich “rüberzubringen”, gehört für uns als Wissenschaftskommunikator*innen zum alltäglichen Geschäft. Oft stellen wir uns dabei die Frage, wie wir mit Fachbegriffen umgehen sollen. Die Tendenz geht klar zur Vermeidung schwieriger Terminologie – schließlich wollen wir allgemeinverständlich kommunizieren. Aber birgt das auch Nachteile? Damit haben sich die Wisskomm-Forscher*innen Friederike Hendriks, Julian Flick und Luca Rudolph von der TU Braunschweig befasst. Die Ergebnisse ihrer Untersuchung sind jetzt in einem Artikel in Learning and Instruction erschienen.
In ihrem Experiment haben die Wissenschaftler*innen untersucht, ob es einen „Sweet Spot“ gibt, wo die Nachteile von Fachsprache minimiert und die Vorteile maximiert sind. Ihr Fazit: Eine gute Balance zwischen leicht verständlicher Sprache und Fachjargon ist empfehlenswert, wenn es darum geht, komplexe Inhalte bestmöglich zu vermitteln. Weniger Fachsprache führe dazu, dass den Autor*innen der Texte mehr Integrität und Wohlwollen zugeschrieben wurde; das Einstreuen einiger Fachbegriffe wurde nicht negativ ausgelegt. Mehr noch: Ein gezielter, maßvoller Einsatz von Fachbegriffen kann hilfreich sein – er signalisiert sowohl die Komplexität des Themas als auch die Expertise und Vertrauenswürdigkeit der Autor*in. Zentrale Fachbegriffe, die besonders wichtig sind, sollten also tendenziell nicht weggelassen, sondern vielmehr erklärt werden.
// Was wir tun

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Foto: Universität Oldenburg/Matthias Hornung
Herausforderungen annehmen
Wie sieht die Universität von morgen aus? Welche Aufgaben wird sie für Gesellschaft, Region und Wissenschaft erfüllen? Und wie können Universitätsangehörige diesen Wandel mitgestalten? Um solche Fragen ging es beim Kreativtag an der Carl-von-Ossietzky Universität Oldenburg. Wir haben das partizipative Zukunftsformat konzipiert und umgesetzt. Ziel war es, mutige Ideen außerhalb bestehender Strukturen oder Machbarkeiten zu sammeln – auch mit Blick auf die Exzellenzbewerbung gemeinsam mit der Universität Bremen. In diesem Zusammenhang: Herzlichen Glückwunsch an die Universität Oldenburg zur Bewilligung aller drei eingereichten Exzellenzcluster!
„Campus Stadt“, „Nachhaltigkeit“, „gesellschaftliche Verantwortung“, „Wissenschaftskommunikation“ und „Durchlässigkeit“ – diese fünf Themen, aufgegriffen in den Impulsen externer Expert*innen, bildeten den inhaltlichen Rahmen des Kreativtages an der Universität Oldenburg. Eingeladen waren über 100 Universitätsangehörige aus Forschung, Lehre, Verwaltung und Studium – aus Oldenburg und Bremen. In interaktiven Runden diskutierten sie ihre Zukunftsideen: ein Campus, der offen ist für die Stadt; eine Hochschule, die Wandel ernst nimmt; eine Wissenschaft, die in der Öffentlichkeit verstanden wird. Der Kreativtag bot den Raum für neue Fragen und machte sichtbar, wie viel Potenzial in der gemeinsamen Vorstellungskraft liegt. Wir freuen uns darauf, den nun angestoßenen Prozess weiter konzeptionell und beratend begleiten zu dürfen.

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Grafik: UHH/Vogiatzis
Skills trainieren
Was muss ich über meine Zielgruppe wissen? Wer unterstützt mich bei unsachlichen Konflikten und Angriffen? Und wie realisiere ich mein eigenes Podcast-Projekt? Auch 2025 haben wir Hamburger Wissenschaftler*innen und Kommunikationsinteressierte bei der Suche nach Antworten auf Fragen wie diese im Kontext der Woche der Wissenschaftskommunikation begleitet. Gemeinsam mit der Universität Hamburg haben wir eine Woche voller Impulse, Vorträge und Praxisworkshops zum Ausprobieren auf die Beine gestellt und waren selbst mit drei Formaten im Programm vertreten.
Unser Geschäftsführer Joerg Weiss warb in seinem Workshop für das genaue (Er)Kennen der eigenen Zielgruppe, während con-gressa-Kollege Elias Kappler praxisnah durch alle Schritte eines Podcastprojekts führte. Und mit unserer digitalen Wisskomm School gab es allmorgendlich ein kompaktes Intensivprogramm für rund 30 Kommunikationseinsteiger*innen.
Ein besonderes Highlight: Die Escape-Room-Idee rund um ein Pflanzenlabor, entwickelt in unserer School, gewann beim Ideen-Pitch der Uni und wird nun mit 5.000 € von der Claussen-Simon-Stiftung gefördert!
Wollen auch Sie die Wisskomm Skills an Ihrer Institution schärfen? Sprechen Sie uns gerne an – wir bringen Kompetenz, Kreativität und Kontakte mit.

Heimspiel
Foto: con gressa/Yorick Fastenrath
Wisskomm im ländlichen Raum
Was machen eigentlich die Menschen, die fürs Studium aus ihren kleinen Gemeinden weggezogen sind und heute in der Wissenschaft arbeiten? Mit Heimspiel Wissenschaft holen wir Forschende zurück in ihre ländlichen Heimatorte – und bringen Wissenschaft dahin, wo sie sonst selten stattfindet: in die Dorfkneipe, ins Vereinsheim, das Kulturzentrum. In zwei Jahren BMBF-Projektlaufzeit haben wir mit über 60 Veranstaltungen rund 3.000 Menschen erreicht – und jetzt geht’s weiter!
Denn auch in der Schweiz findet unsere Idee Anklang: Die Stiftung Science et Cité und die Schweizerischen Akademien der Geistes- und Sozialwissenschaften (SAGW) stellen in ihrem “Geschwister-Projekt” Geistes- und Sozialwissenschaftler*innen in den Fokus – schließlich sind gerade diese Disziplinen in der Öffentlichkeit oft weniger präsent. Wir freuen uns, dass wir bei der Planung beraten durften und sind gespannt auf die schweizerische Edition.
In Deutschland setzen wir in Kooperation mit der Max-Planck-Gesellschaft weitere Heimspiele in ganz Deutschland um. Damit ermöglichen wir persönliche Begegnungen zwischen Spitzenforscher*innen und Menschen, die sonst wenig Berührungspunkte mit Wissenschaft haben.

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Foto: HU Berlin/Jenni Haberland
Wissenschaftsfreiheit stärken
Der Academic Freedom Index (AIF) 2025 zeigt: In 34 der 179 erfassten Ländern ist die Wissenschaftsfreiheit gesunken. Darunter sind auch Demokratien wie Finnland, Portugal und Argentinien. In diesen Staaten ist die akademische Freiheit im Vergleich zu vor zehn Jahren statistisch signifikant zurückgegangen. Auch in Deutschland gab es negative Veränderungen, wenn auch, laut AIF, lediglich auf substanziell geringem Niveau. Diese dennoch bedenklichen Entwicklungen nehmen wir zum Anlass, um an dieser Stelle nochmal auf unser Herzensprojekt Fragile Freiheit hinzuweisen, das wir in enger Zusammenarbeit mit der Alexander von Humboldt-Stiftung im Rahmen des „Wissenschaftsjahres 2024 – Freiheit“ umgesetzt haben.
In fünf spannenden Podcastepisoden erzählen im deutschen Exil lebende Forschende ihre persönliche Geschichte von Freiheitsverlust. Afghanistan, Belarus, Iran oder Türkei – jede Geschichte unterstreicht, wie bedeutend freie Wissenschaft und Lehre für den Erhalt demokratischer Werte sind. Gerade in Zeiten, in denen demokratische Strukturen weltweit unter Druck stehen. Alle fünf Folgen sind hier oder in der Podcast-App Ihres Vertrauens verfügbar.
An dieser Stelle sei auch der „Free to think“ Podcast von Scholars at Risk empfohlen. In Folge 43 spricht die Kosmologin und ehemalige Stipendiatin der Philipp Schwartz-Initiative der AvH, Dr. Encieh Erfani, über die Situation im Iran.